Projektive Verfahren
Beispiel: Testgütekriterien ausgewählter projektiver Verfahren
Überblick
Die Forscher Lilienfeld, Wood und Garb (2001) haben einen Literaturüberblick über verschiedene projektive Verfahren erstellt. Dabei wurden die Verfahren nach sogenannten Testgütekriterien bewertet, die im Abschnitt Gütekriterien eingehend erörtert werden. Im Fokus standen der Rorschachtest, der TAT und Zeichentests wie etwa der Baumtest. Insgesamt zeigten diese projektiven Verfahren in vielen Untersuchungen erhebliche Schwächen hinsichtlich der Haupttestgütekriterien. Die Ergebnisse waren häufig abhängig vom Begutachter (nicht objektiv), ungenau (unreliabel) und maßen nicht das, was sie zu messen vorgaben (nicht valide). Nach den Autoren stützten nur wenige Studien projektive Testverfahren. Trotz dieser Ergebnisse setzen klinische Psychologen laut einer in Amerika durchgeführten Befragung aus dem Jahr 1995 diese Verfahren weiterhin überaus häufig ein. So gaben 43% der Befragten an, den Rohrschachtest durchgängig oder häufig zu verwenden. 82% der befragten klinischen Psychologen nutzten den Test zumindest gelegentlich. Beim TAT lagen die Angaben auf einem ähnlichen Niveau (34% durchgängige oder häufige, 82% gelegentliche Verwendung).
Ergebnisse im Detail
Nachfolgend sollen die Ergebnisse der Studie im Detail erörtert werden:
- Rorschachtest: Mit Hilfe des Rorschachtests kann man die meisten psychischen Störungen nicht valide erfassen. Darunter zählen unter anderem Depressionen, Ängstlichkeitsstörungen sowie bestimmte Persönlichkeitsstörungen. Ausnahmen bilden lediglich die Schizophrenie und wenige andere psychische Störungen wie die bipolare affektive Störung. Auch Neigungen zu Gewalttätigkeit, Impulsivität, kriminellem Verhalten oder sexuellem Missbrauch werden in der Regel durch den Test nicht erkannt. Weitere Probleme des Rorschachtests betreffen die fragwürdige Repräsentativität der verwendeten Normen (insbesondere für Bevölkerungsminderheiten) sowie Mängel in der Begutachterunabhängigkeit.
- Thematischer Apperzeptionstest: Der TAT ist gewöhnlich nicht standardisiert. Klinische Psychologen präsentieren unterschiedliche Bildtafeln in unterschiedlicher Anzahl aus dem Tafelsatz. Die dazu erzählten Geschichten werden in aller Regel intuitiv interpretiert. Die Retest-Reliabilität, d.h. der Zusammenhang zwischen zwei Ergebnissen des Tests, die zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten an derselben Stichprobe erhoben wurden, fällt gering aus. Außerdem werden Personen mit psychischen Störungen nicht erfolgreich von Personen ohne solche Störungen abgegrenzt. Lediglich einige wenige standardisierte Bewertungssysteme zum TAT schätzen beispielsweise das Leistungsbedürfnis von Menschen richtig ein.
- Zeichentests: Unter Zeichentests werden hier projektive Verfahren verstanden, bei denen eine Person ein Bild zeichnen soll. Zum Beispiel soll eine Person ein Haus oder einen Baum (siehe Baumtest) zeichnen. Die Begutachterunabhängigkeit dieser Verfahren ist dabei uneinheitlich. Die durchgeführten Studien zu Zeichentests weisen nicht eindeutig nach, dass Zeichentests bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, psychische Störungen oder sexuellen Missbrauch valide erfassen. Lediglich im Gruppenmittel besitzen Personen, die menschliche Gestalten in einem kranken Zustand zeichnen, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer psychischen Störung. Andererseits neigen klinisch tätige Psychologen und Ärzte nachweislich dazu, gesunden Personen eine psychische Störung zuzuschreiben, sofern sie nicht über künstlerische (Zeichen-)Fähigkeiten verfügen. Globale Bewertungssysteme, die nicht auf der Interpretation einzelner Elemente in den Zeichnungen basieren, sondern zahlreiche Aspekte der Zeichnung zu einer generellen Einschätzung bündeln, können die Güte von Zeichentests verbessern. Hierdurch konnten Personen ohne Störungen von solchen mit Angststörungen erfolgreich abgegrenzt werden.
- Weitere Ergebnisse: Auch bei anderen projektiven Verfahren sind die aufgeführten Untersuchungsergebnisse insgesamt ernüchternd. Allerdings konnte beim PFT von Rosenzweig die Aggressivität von Kindern erfolgreich vorhergesagt werden. Ein projektiver Test, bei dem die Probanden einen Satzanfang beenden sollten (z.B. den Satzanfang "Wenn ich doch nur."), erwies sich als valides Messinstrument für die Konstrukte Moralität und Empathie.