Experiment
Definition
Ein Experiment ist eine Form der Datenerhebung, bei der Variablen planmäßig manipuliert und die daraus resultierenden Effekte erfasst werden. Störfaktoren werden dabei kontrolliert oder ausgeschaltet.
Voraussetzungen
Bei einem Experiment sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Sarris & Reiß, 2005):
- Variablenunterscheidung: Hinsichtlich der Variablen unterscheidet man zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen sowie Drittvariablen (z.B. Rey, 2009):
- Unabhängige Variablen: Unabhängige Variablen (UVs) – auch (Bedingungs )Faktoren (treatment factors) genannt – stellen Variablen dar, mit deren Hilfe eine abhängige Variable vorhergesagt werden soll. Die unabhängige Variable wird dabei im Experiment vom Versuchsleiter gezielt verändert. In einer entwicklungspsychologischen Studie könnte beispielsweise Kindern eine Aufgabe mit und ohne Hilfestellung präsentiert und der Lernerfolg im Anschluss gemessen werden. In diesem Fall läge eine zweifachgestufte unabhängige Variable (mit versus ohne Hilfestellung) vor, die den Lernerfolg als abhängige Variable vorhersagen soll. Werden dieselben Personen unter allen Faktorstufen einer unabhängigen Variable getestet, spricht man von einem messwiederholten Faktor. Im oben genannten Beispiel würde es sich um eine messwiederholte unabhängige Variable handeln, wenn alle Personen sowohl Aufgaben mit als auch ohne Hilfestellung präsentiert bekämen und man für beide Bedingungen die Lernleistungen getrennt erfassen würde.
- Abhängige Variablen: Abhängige Variablen (AVs) sind Variablen, deren Werte mit Hilfe der unabhängigen Variablen vorhergesagt werden sollen. Zum Beispiel könnte der Lernerfolg als abhängige Variable mit Hilfe eines konstruierten Lerntests getrennt für die beiden Versuchsbedingungen erfasst werden. Kommt – wie in diesem Beispiel – nur eine abhängige Variable zum Einsatz, spricht man auch von einem univariaten Versuchsplan bzw. Design. Ein Experiment mit zwei abhängigen Variablen wird als bivariates Design bezeichnet. Ein trivariater Versuchsplan umfasst drei abhängige Variablen. Häufig kennzeichnet man ein Experiment mit mehr als einer abhängigen Variablen auch als multivariates Design.
- Drittvariablen: Drittvariablen stellen einen Oberbegriff für alle Variablen dar, die weder als unabhängige noch als abhängige Variablen zu bezeichnen sind. Sie können als Moderatorvariablen in Erscheinung treten und somit den Zusammenhang zwischen der unabhängigen und abhängigen Variable beeinflussen (moderieren). In einem entwicklungspsychologischen Experiment könnte man zum Beispiel die Intelligenz der Probanden erfassen und bei der Datenauswertung als Drittvariable berücksichtigen. In diesem Fall wird die Drittvariable Intelligenz auch Organismusvariable genannt. Wird die Drittvariable nicht erfasst, spricht man von einer Störvariablen.
- Zufallszuweisung: Versuchsteilnehmer werden randomisiert, d.h. zufällig auf die einzelnen Versuchsbedingungen zugewiesen. In diesem Fall spricht man von einem experimentellen Zufallsversuchsplan. Alternativ findet manchmal auch eine Parallelisierung statt. Dabei wird eine Drittvariable (z.B. Intelligenz) vorab gemessen. Anschließend werden Gruppen mit ähnlichen Merkmalsausprägungen gebildet (zum Beispiel immer zwei Personen, die in etwa den gleichen IQ-Wert aufweisen). Jeweils eine Person aus einer Gruppe wird zufällig einer der Versuchsbedingungen zugeordnet. Handelt es sich um eine messwiederholte unabhängige Variable, dann entfällt die Zufallszuweisung, da die Probanden unter sämtlichen Faktorstufen der unabhängigen Variable getestet werden (siehe oben).
Beispiel
Angenommen, in einem Experiment werden die Behaltens- und Verständnisleistungen von Versuchspersonen erfasst. Geprüft werden soll, ob die Schriftgröße eines dargebotenen Lerntextes auf diese beiden abhängigen Variablen einen Einfluss besitzt. Dazu erhalten die Versuchsteilnehmer einen Text in einer von vier verschiedenen Schriftgrößen (Schriftgröße 8, 10, 12 oder 14). Außerdem soll ermittelt werden, ob der Zeitpunkt des Lerntests von Bedeutung ist. Daher werden die Behaltens- und Verständnisleistungen zu drei Zeitpunkten wiederholt erfasst – direkt nach Darbietung des Lerntextes sowie eine Woche und vier Wochen später. Des Weiteren könnte man überprüfen, ob hinzugenommene Bilder im Lerntext die Behaltens- und Verständnisleistungen beeinflussen. Dazu werden entweder informative Bilder oder nicht unmittelbar für das Verständnis relevante Bilder in den Lerntext eingefügt. In einer dritten Gruppe wird der Lerntext hingegen ohne Illustrationen präsentiert. Das zu diesem Experiment gehörige Design bezeichnet man als 4x3x3-faktoriellen, bivariaten Zufallsversuchsplan mit Messwiederholung auf dem zweiten Faktor. Die beiden abhängigen Variablen stellen die Behaltens- und Verständnisleistungen dar. Die vierfachgestufte Variable Schriftgröße und die dreifachgestufte Variable Bilder werden ohne Messwiederholung variiert, während der Zeitpunkt der Lernüberprüfung messwiederholt ist.
Diverse Kombinationsmöglichkeiten
Experimente lassen sich mit anderen Methoden der Datenerhebung kombinieren. So kann in einem Experiment beispielsweise die abhängige Variable durch Beobachtung, Befragung oder mit Hilfe eines standardisierten Tests erfasst werden.